Vittoria Borsò
Moderne der Jahrhundertwende(n)
Internationaler Kongress an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 1998

Diskurse der Moderne II: Subjekt und Gesellschaft
portrait

Michael Gassenmaier

Der Aufstieg der modernen englischen Dichtung aus den Schützengräben des ersten Weltkriegs

Die etablierte Literaturkritik hält durchaus verschiedene Antworten auf die Frage bereit, mit welchen Autoren, poetischen Techniken, thematischen Schwerpunkten und ideologischen Tendenzen in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts eine Dichtung zum Durchbruch kommt, die die Bezeichnung "modern" verdient. Während C.K. Stead bereits mit den sogenannten "Georgians" eine neue und revolutionäre Phase der englischen Dichtung anbrechen sieht, werden für Stanley K. Coffmann, Jr. oder für Wolfgang Iser die "eigentlichen Qualitäten der modernen englischen Poesie" erst bei den Imagisten erkennbar, die mit ihrer "Bild- und Montagetechnik", ihrer "Polemik gegen eine abgelebte Romantik" und ihrer "Überwindung der verfestigten Schemata der Wahrnehmung" eine Poesie begründen, deren Modernität vor allem in ihrer "entdeckenden Funktion" gesehen wird. Die über Jahrzehnte unbestrittene Autorität von F.R. Leavis, der in den frühen 30er Jahren Pound und Eliot als die großen und radikalen Neuerer reklamierte, hat schließlich dafür gesorgt, daß die beiden Wahl-Engländer als die eigentlichen Architekten der modernen englischen Poesie betrachtet wurden und werden. Da F.R. Leavis die beiden Dichterfreunde als geniale Schüler französischer Meister ausgab, war damit zugleich die Lehrmeinung begründet, daß sich die moderne englische Dichtung in vieler Hinsicht als Weiterentwicklung des französischen Symbolismus darstellt, insbesondere als Fortschreibung der vers libre-Poesie von Jules Laforgue, die mit ihrem dedoublement und ihren ständig gebrochenen und irritierenden Umschwüngen und Umsprüngen eine neue Ästhetik irisierender Klänge und Perspektiven begründet hat.

Mit meinem Beitrag will ich zu zeigen versuchen, daß neben den genannten Autoren auch die British Poets of the Great War einen gewichtigen und bis heute weitgehend übersehenen Beitrag zur Entstehung der modernen englischen Dichtung geleistet haben. Mit ihrem Gegen- und Nebeneinander von Kriegsverherrlichung und Kriegsverdammung stellt die englische Kriegsdichtung 1914-1918 eine literatur- und kulturgeschichtlich singuläre Erscheinung dar, eine im Medium der Poesie ausgetragene Kontroverse, die sowohl zur Überwindung traditioneller poetischer Darstellungskonventionen als auch zur radikalen Infragestellung imperialistischer, fatalistischer und neo-romantischer Positionen im politischen, ideologischen und moralischen Diskurs in England geführt hat.

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